Hintergründe zur Pressefreiheit in Kuba 2012

Veröffentlicht am 12. März 2012 durch Reporter Ohne Grenzen

Kuba führt einen digitalen Kalten Krieg, indem es das Internet und Soziale Medien, als destabilisierend und vom Feind Amerika orchestriert, verteufelt. Wird das Fiber-Optik Unterseekabel von Venezuela die „Rationierung“ des Internetzugangs, welche die grosse Mehrheit der Kubaner von der Nutzung des Internet ausschliesst, aufheben? Die Bildung eines stark zensierten und kontrollierten kubanischen Intranets 2.0 scheint darauf schliessen zu lassen, dass das Regime keinerlei Absichten hat, Konzessionen bezüglich der Kommunikationsmöglichkeiten zu machen.

Repressionen und Diffamierungskampagnen gegen kritische Blogger

Regierungstreue Blogger führen einen erbitterten Kampf gegen „alternative“, regierungskritische Blogger. Die Regierung verhindert für die grosse Mehrheit der Kubaner den Zugang zum Internet, überschwemmt das Internet mit Informationen des Staates und lässt darin keinen Platz für Andersdenkende. Auch wenn weniger als 2% der kubanischen Bevölkerung Zugang zum Internet haben, finden viele Kubaner kreative Wege, um ins Internet zu gelangen und die Sozialen Medien nutzen zu können.

Im März 2011 strahlte das offizielle kubanische Staatsfernsehen in seiner Serie „Las Razones de Cuba“ (Kubas Motive) eine Sendung aus, in der kritische Blogger als „Cybersöldner“ bezeichnet und öffentlich beschuldigt wurden, im Auftrag der USA zu handeln. Kubas kritische Blogger veröffentlichten als Gegenreaktion auf Viméo eine Internet-Serie mit dem Namen „Bürger Motive“ in deren ersten Ausgabe Yoani Sánchez betonte, dass die „Dämonisierung des Internets“  von der Angst des Regimes zeuge, dass das Internet in Kuba die gleiche Rolle wie im Arabischen Frühling spielen könnte. Die Dissidentin sprach später in einem Interview vom 2. Januar 2012 in der Peruanischen Tageszeitung „El Comercio“ über ihre Zweifel, dass der Arabische Frühling auf Kuba übergreifen könnte, da die kubanische Gesellschaft sehr zersplittert und die Wirkung Sozialer Medien zur Mobilisierung in Kuba bisher sehr gering sei.

Yoani Sánchez gründete eine „Blogger-Akademie“, um das Informationsmonopol des Staates zu durchbrechen. Blogger wie Claudia Cadelo, Laritza Diversent und Orlando Luis Pardo Lazo haben auch damit begonnen, die „digitale Freiheit“ und das Recht der Kubaner auf Information zu verteidigen. Die Veröffentlichung der Nachricht vom Tode des Dissidenten Juan Wilfredo Soto Garcia durch “alternative” Blogger, stellte die offizielle Version der kubanischen Regierung an den Pranger.

Die Strategie des Regimes bezüglich Sozialer Netzwerke

Im November 2011 war die ganze Welt Zeuge von der wahrscheinlich ersten Konfrontation zwischen einem Mitglied der kubanischen Führungsfamilie, in diesem Fall von Raul Castros Tochter Mariela Castro und der Dissidentin Yoani Sánchez. In einem Feuergefecht auf Twitter verlor Mariela Castro die Fassung und konterte die Argumente ihrer Kritiker, indem sie diese als „verachtenswertes Ungeziefer“ beschimpfte. In einem BBC Interview lobte Yoani Sánchez die Sozialen Medien als Förderer des Dialogs: “Auf Twitter kann niemand dem anderen Lektionen erteilen. Präsidenten können Bürger nicht herumkommandieren und grosse Persönlichkeiten können normale Bürger nicht zum Schweigen bringen. Jeder lernt von jedem.” Im Februar 2012 wurde ihr einmal mehr verboten, aus Kuba auszureisen.

Am 1. Dezember 2011 rief Kubas Aussenminister Bruno Rodríguez dazu auf, eine neue Strategie gegen Soziale Netzwerke zu entwickeln, um sich „aus der Diktatur der U.S. gesteuerten Gruppen“ zu befreien. Wenige Tage später bezichtigte die Regierung Twitter der Verbreitung von Gerüchten über den angeblichen Tod Fidel Castros.

Kurze Zeit später lancierte das Regime Red Social, eine kubanische Version von Facebook, die nur über das kubanische Intranet, Red Cubana, zugänglich ist. Entwickelt als „virtueller Treffpunkt für kubanische Akademiker“, dient es der Überwachung. Um sich zu registrieren, müssen die Nutzer ihr E-Mail Passwort eingeben. Dieses soziale Netzwerk „Made in Cuba“ hatte Ende 2011 schon einige tausend Nutzer.

Gibt das Untersee-Kabel von Venezuela Anlass zu neuer Hoffnung?

Noch viel mehr Fragen wurden mit der Ankündigung des Untersee-Kabels, das Kuba und Venezuela miteinander verbinden wird, aufgeworfen. Kubas Kapazität, sich mit dem Rest der Welt zu verlinken, wird dadurch um das 3'000fache erhöht.  Ursprünglich auf Sommer 2011 geplant, wurde es bisher ohne Begründung auf unbekannte Zeit verschoben. Anfangs 2011 kündigte das Regime an, dass dieser Netzzugang für die „soziale Nutzung“ durch Institute, Universitäten und gewisse Berufsgattungen wie Ärzte und Journalisten reserviert sei. Kollektive Zugangsmöglichkeiten sollten zudem aufgebaut werden. Entgegen den Erwartungen, legte der Kongress der Kommunistischen Partei im Januar 2012 die Pläne für einen weiteren Ausbau des Internets auf Eis.

Auch wenn berechtigte Hoffnung besteht, dass ein Teil dieses Fiber-Kabels den Weg auf den Schwarzmarkt für Internet-Zugänge findet, sind viele überzeugt, dass das neue Kabel den Zugang zum World Wide Web für die kubanische Bevölkerung nicht erleichtern wird. Da dieser rationiert ist, wird davon ausgegangen, dass das neue Kabel nur für die heute schon Privilegierten die Qualität der Verbindung zum Internet  verbessern wird. Das Regime steht weiter in Alarmbereitschaft, um jegliche Versuche, die Internetzensur zu umgehen, zu torpedieren. Im November 2011 bezichtigte Kuba die USA des gesetzeswidrigen Aufbaus von Internetverbindungen durch den illegalen Import von Material und der Zurverfügungstellung von Satelliten-Verbindungen. Ein Amerikaner wurde im Dezember 2009 solcher heimlicher Aktivitäten bezichtigt und sitzt seither in Kuba in Haft.

Alle Journalistenn die seit dem „Schwarzen Frühling“ im Gefängnis waren, wurden zwischen Juli 2010 und März 2011 dank der Mediation der Spanischen Regierung und der katholischen Kirche Kubas freigelassen. Unter ihnen auch der Korrespondent von „Reporter ohne Grenzen“, Ricardo González Alfonso, Gründer des Magazins De Cuba. Die meisten von ihnen wurden unter der Bedingung freigelassen, dass sie ins Exil nach Spanien gingen. Seit März 2011 werden fast täglich alternative Blogger und Netz-Aktivisten verhaftet und nach einem oder zwei Tagen Haft wieder freigelassen. Das Regime setzt auf die Zermürbungstaktik.

Nachdem Raúl Castro im Februar 2008 offiziell die Macht in Kuba übernommen hatte, machte er erste zögerliche Annäherungen an die Internationale Gemeinschaft. Kuba unterzeichnete am 27. Februar 2008 – aber ohne sie zu ratifizieren – zwei UNO-Konventionen, eine über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die zweite über zivile und politische Rechte. Im selben Jahr wurde das Verbot für Kubaner aufgehoben, die teuren Internet-Verbindungen in den Luxushotels für Touristen zu nutzen. Doch diese Reform währte nicht lange, und immer wieder wird Bloggern der Zugang verwehrt und verboten. Weitere Reformen erlaubten kubanischen Bürgern Computer-Software zu besitzen und legalisierte Mobiltelefone, was vorher verboten war.

Kuba ist das einzige Land Amerikas, das keine freie Presse zulässt. Die offiziellen Medien (ein Fernsehkanal, eine Radiostation und zwei Tageszeitungen – Granma und Juventud Rebelde – und ihre regionalen Versionen) dienen einzig dazu, die Propaganda des Regimes zu verbreiten. Daneben wird das Drucken von einigen wenigen katholischen Religionsmagazinen toleriert.

Regierungskritische Journalisten sind weiterhin gezwungen, im Versteckten zu arbeiten und ihre Artikel in ausländischen Medien zu veröffentlichen, vor allem auf Websites der kubanischen Exilgemeinde in Miami. Nur selten können sie ihre Informationen mit ihren Landsleuten innerhalb Kubas teilen. Die Internetnutzung unterliegt weiterhin strengsten Kontrollen und massiver Zensur. Das seit 1962 anhaltende US-Embargo erschwert den Zugang zum Internet noch zusätzlich.

Für mehr Informationen auf Englisch:

http://en.rsf.org